Roger Tietz im Odenwälder Echo
Ein Porträt von Manfred Giebenhain
Altstadt, Straßen, Jugend: Der Michelstädter Bürgermeisterkandidat Roger Tietz von der SPD hat Ideen und will zur Umsetzung möglichst viele an einen Tisch holen.
„Mut zum Machen“ lautet sein Slogan: Roger Tietz (61) bezeichnet sich selbst als Macher. Und zu tun gibt es so einiges, lässt der SPD-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Michelstadt gleich zu Beginn des Gesprächs wissen. Vor über 30 Jahren verschlug es den Zimmermann auf seiner Wanderschaft in den Odenwald. Hier hat er die Frau seines Lebens gefunden und eine Kleinstadt, die ihn ebenfalls nicht mehr losgelassen hat. Bewahrt hat er sich einen wohlwollend-kritischen Blick auf die Stadt, im Großen wie im Kleinen.
Tietz verwendet gerne einen unter Zimmerleuten beliebten Spruch. Dieser unterstreicht, was ihn zur Kandidatur motiviert hat: „Wer die Häuser verfallen lässt, versucht, die Ruinen zu erhalten.“ Dies macht er besonders fest an der Odenwaldhalle, die Tietz gerne als „das kulturelle Herz Michelstadts“ bezeichnet. Wie wichtig ihm dies ist, zeigt der nächste Satz: „Im Moment scheint Michelstadt herzkrank zu sein.“ Beim Thema Sanierung soll die Entwicklung des angrenzenden Wohnviertels einbezogen werden. Tietz möchte in jedem Fall verhindern, „dass die Odenwaldhalle das ganze Viertel mit runterzieht“.
Für Tietz ebenfalls von Bedeutung ist der Zustand so mancher Straßen. Dazu zitiert er aus einer 2015 erstellten Prioritätenliste: „Der Gesamtplan der sanierungsbedürftigen Straßen von Michelstadt umfasst insgesamt 56 aus einem Gesamtnetz von zirka 150 Straßen. Die geschätzten Ausbaukosten belaufen sich auf rund 42 Millionen.“ An diesen „gewaltigen Investitionsstau“ will er sich heranarbeiten, nicht aber, ohne Anregungen der Bürger aufzunehmen.
Noch dringenderen Handlungsbedarf sieht er in der Geschäftswelt, denn Corona und die Folgen könnten der Stadt insgesamt noch mehr zusetzen. Im Fall eines Wahlsiegs im März will er daher nicht bis zur Amtseinführung im Herbst warten. Es sei keine Zeit zu verlieren. Sorge bereiten ihm der Einzelhandel und die vielen kleinen, inhabergeführten Geschäfte, die das bunte Bild der Altstadt mitprägen. Gewinnt er, will er mit „Sofortmaßnahmen“ einer möglichen „Schockstarre“ begegnen. Er ist überzeugt, den noch amtierenden Bürgermeister dafür gewinnen zu können. Tietz schwebt etwa ein Gutscheinsystem vor, das zeitlich befristet und von der Stadt finanziell unterstützt wird, um rasch die Kauflaune wieder ankurbeln. Mittelfristig will er sich die Gestaltungssatzung vornehmen, um Geschäftsleute von Abgaben zu entlasten und mehr Freiräume zu schaffen. Eine Idee hat er auch, wie der Bienenmarkt unter Pandemiebedingungen stattfinden kann.
Stichwort Verkehr in der Altstadt: Von „dicht machen“ hält er nichts, von einem „Weiter so“ aber auch nichts. Mit allen ordnungspolitischen Mitteln durchsetzen will er die geltenden Regeln, die da lauten: Schritttempo, Zufahrtsbeschränkungen, Parken nur auf ausgewiesenen Flächen. Technische Eingriffe wie Fahrbahnschwellen und versenkbare Poller schließt Tietz nicht aus.
Als gelungen bezeichnet er die Umgestaltung des Stadtgartens, die in der Bevölkerung gut angekommen sei. Aufgreifen will er eine Idee aus der Citta-Slow-Arbeitsgruppe: Ein öffentliches Backhaus, das nach alter Sitte von der Dorfgemeinschaft genutzt wird, könnte auf einer Gartenparzelle nebenan entstehen. Auf seine Fahnen geschrieben hat er sich zudem die Aufwertung des Burggrabens. Was nicht nur Tietz schon länger stört: Es fehlt ein barrierefreier Fußweg in die Altstadt. Und die Stadtteile? Vielbrunn sieht er als Vorbild und zollt der Ortsvorsteherin und vielen Mitstreitern Respekt für deren Einsatz. Als Beispiel nennt der Kandidat die hausärztliche Versorgung. „Die Bürger müssen selbst mehr machen, und wir unterstützen sie dabei“, lautet sein Appell. Um die vielen Aufgaben bewältigen zu können, soll es nicht nur bei Bauwesen und Ordnungsamt mehr Personal geben, sondern auch in Jugendarbeit und Vereinsförderung. „Kinder und Jugendliche dürfen nicht die Verlierer der Pandemie werden“, sagt Tietz.
100 000 Euro sind ihm „Sofortmaßnahmen“ wert, von denen besonders jene Vereine profitieren sollen, die viel für die Jugendarbeit tun. Auch dabei gelte: An einen Tisch setzen und gemeinsam einen Plan ausarbeiten. Seitens der Stadt beisteuern will er Mittel aus dem Haushaltsposten Außerordentliche Erträge. Dort seien stattliche 1,5 Millionen Euro angehäuft worden. Ein gutes Stück vom Kuchen abbekommen sollen auch die Gewerbetreibenden, in deren geschäftliches Umfeld investiert werden soll. Konkret erwartet Tietz vom nächsten Gewerbemanager, dass dieser sich deren Nöte und Sorgen annimmt und als Mittler auftritt zwischen Hauseigentümern und Ladenbetreibern. Damit es nicht noch zu mehr Leerständen kommt, müsse der Manager frühzeitig aktiv zu werden.
Zum Nachbarn Erbach hat Tietz ein entspanntes Verhältnis: „Wir sitzen in einem Boot.“ Er möchte die Zusammenarbeit ausbauen, werde aber eine Fusion bestimmt nicht forcieren. Sein Heimatgefühl gehört Michelstadt: Für diese Stadt möchte er sich starkmachen und seine Erfahrungen einbringen. Tietz versteht sich auch als Teamplayer, weshalb für ihn eine Einzelkandidatur nicht in Frage kam. Politisch ist er dennoch ein Seiteneinsteiger. Der SPD, für die er auch auf dem ersten Listenplatz für die Stadtverordnetenversammlung kandidiert, ist er erst im August 2020 beigetreten. Hätte er allein die Wahl zwischen beiden Stimmzetteln für Mandat und Amt, fiele ihm die Entscheidung nicht schwer: Tietz möchte Bürgermeister für alle Michelstädter werden.
Und hier geht’s zum Original-Beitrag auf Echo-online (klicken)