Los entscheidet über Magistratssitz in Michelstadt

Der wiedergewählte Stadtverordnetenvorsteher Andreas Klar (SPD) gibt den Losentscheid bekannt, nachdem trotz Absprachen unter den Fraktionen kein eindeutiges Ergebnis bei der Besetzung des neunten Sitzes im Magistrat zustande gekommen war. Bild: Manfred Giebenhain

Bei der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Parlaments geht die FDP als glücklicher Gewinner hervor. Das ist ein bisher einmaliger Vorgang.

Bericht des Odenwälder Echos vom 28.4.2021 – von Manfred Giebenhain

MICHELSTADT – So etwas hat es in einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung noch nicht gegeben; jedenfalls nicht, seitdem Georg Walther (CDU) dem Parlament angehört. Und dies sind bereits 28 Jahre, weshalb am Montag der langjährige Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des neu gewählten Parlaments in den ersten Wahlgang führen durfte. Mit der einstimmig erfolgten Wiederwahl von Andreas Klar (SPD) zum Vorsteher lief alles noch nach Plan. SPD, ÜWG, Grüne und FDP hatten sich im Vorfeld auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, was zu den gewünschten Ergebnissen hätte führen müssen. Nicht aufgegangen ist die Rechnung allerdings ausgerechnet bei der Besetzung des Magistrats, nachdem wider Erwarten bei der Auszählung der geheim abgegebenen Stimmen die Grünen plötzlich über eine Stimme mehr verfügten als ihrer Fraktion angehören. Die Folge: Ein Los musste entscheiden, ob ihr rechnerischer Anspruch von 1,5 Sitzen auf zwei aufzurunden ist und damit die FDP leer ausgeht – oder ob die Liberalen mit einem Sitz vertreten sind, obwohl ihr Stimmenanteil nur für 0,5 gereicht hatte.

Die Entscheidung fiel zugunsten der FDP aus, was zur allgemeinen Erleichterung und mit breiten Zustimmungsbekundungen für den wiedergewählten Maximilian Promny aufgenommen wurde. Das Los gezogen hatte Hauptabteilungsleiter Matthias Nowak in seiner Rolle als Wahlleiter. Seine Entscheidung, unter zwei verschlossenen Umschlägen zu wählen, begründete er unter Berufung auf Paragraf 22 Absatz 3 des Hessischen Kommunalgesetzes, dem zufolge „über die Zuteilung des letzten Sitzes bei gleichen Zahlenbruchteilen (…) das vom Wahlleiter zu ziehende Los“ zu bestimmen hat. Dem Ergebnis war eine fast einstündige Sitzungsunterbrechung vorausgegangen, um dem großen Beratungs- und Diskussionsbedarf gerecht zu werden. Niemand hatte mit einem solchen Fall gerechnet und selbst die Grünen-Fraktion fürchtete den Losentscheid. Zum einen wollten sie zu ihrer Abmachung mit den anderen Fraktionen stehen, zum anderen wäre die Wahl zum zweiten Grünen Stadtrat ausgerechnet auf Jonas Schönefeld gefallen, der sich bereits auf seine neue Rolle als Fraktionsvorsitzender eingestellt hatte. Eingetreten war die Pattsituation, weil auf die fünf gemeinsam nominierten Kandidaten aus dem neuen Koalitionslager von SPD und ÜWG, das zusammen über 21 Stimmen verfügt, nur 19 Stimmen entfielen. Ein SPD-Abgeordneter fehlte krankheitsbedingt; die entscheidende weitere Stimme landete bei den Grünen. Der rechnerische Anteil von 4,75 Sitzen für die neue Koalition reichte aufgerundet dennoch für die anvisierten fünf Sitze für die SPD und ÜWG im Magistrat. Mit zwei Sitzen ist die CDU vertreten. Rechnerisch hatten ihre neun Stimmen für 2,25 Sitze gereicht.

Für Walther und Elke Heusel (ÜWG) erinnerte das Geschehen an eine ebensolche Überraschung, die sich unter ähnlichen Vorzeichen 1997 abgespielt hatte. Damals setzte ein ÜWG-Abgeordneter, der Schilderung nach versehentlich, sein Kreuz bei dem CDU-Bewerber Bernd Pfeifer, der daraufhin in den Magistrat einziehen konnte. Inzwischen zählt Pfeifer zu jenen Kommunalpolitikern, die in der neuen Legislaturperiode nicht mehr mit von der Partie sind. Bürgermeister Stephan Kelbert (parteilos), der sich selbst im September nach zwölf Jahren von der politischen Bühne verabschieden wird, hatte eingangs der Sitzung angekündigt, sobald es die Infektionslage erlaube, alle Ehemaligen gebührend zu verabschieden. Auffallend große Veränderungen hätten die Kommunalwahlen vom März nicht hervorgebracht, stellte er in seiner Begrüßung fest. Mit einer personellen Neubesetzung von etwa einem Viertel der Mandatsträger sei aber zugleich eine sichtbare Verjüngung erfolgt. Der Mix aus „Erfahrung und neuen Gesichtern spiegelt die Vielfalt unserer Stadt wider“, so Kelbert.

Am Beispiel des neu gewählten Ersten Stadtrats Roger Tietz verlas das Stadtoberhaupt den Text aus der Ernennungsurkunde, die er allen Magistratsmitgliedern aushändigte. Die Vereidigung der neun Stadträte wurde von Klar vorgenommen. Vertreten wird der Stadtverordnetenvorsteher von fünf Stellvertretern. Bei dieser Wahl entfielen auf den gemeinsamen Wahlvorschlag 27 Stimmen und auf die CDU neun. Das Wahlergebnis der Kommunalwahl vom März wurde ohne Gegenstimmen für gültig erklärt. In zwei weiteren Fällen musste das Los entscheiden; dieses Mal ohne großes Aufsehen. Dabei handelte es sich um die Besetzung der Verbandsversammlungen des Abwasserverbands Mittlere Mümling und des Müllabfuhrzweckverbands. Besetzt wurden weitere Gremien, darunter der Aufsichtsrat der Stadtwerke GmbH und die Vertretungen in den städtischen Eigenbetrieben. Ferner entsenden die Fraktionen ihre Vertreter in die vier Fachausschüsse, denen jeweils neun Mitglieder angehören. Die konstituierenden Sitzungen finden am 12. Mai statt.


MAGISTRAT UND STADTVERORDNETE

In der Legislaturperiode 2021/2026 gehören den Gremien der Stadt Michelstadt folgende Personen an: Der Magistrat besteht aus dem hauptamtlich tätigen Bürgermeister Stephan Kelbert (parteilos/ab September 2021 Tobias Robischon von der ÜWG) und neun ehrenamtlichen Stadträten. Diese sind Roger Tietz (Erster Stadtrat), Klementine Dingeldein und Hajo Prassel (alle SPD), Anni Resch und Joachim Lang (beide CDU), Elke Heusel und Günter Lewold (beide ÜWG), Tim Koch (Die Grünen) und Maximilian Promny (FDP).

Der Stadtverordnetenversammlung gehören 37 Abgeordnete an.
Die stärkste Fraktion stellt die SPD mit elf Abgeordneten. Zum Fraktionsvorsitzenden haben die Sozialdemokraten Michael Hüttenberger gewählt. Der Fraktion gehören ferner an: Andreas Klar (Stadtverordnetenvorsteher), Natalie Rauch, Andreas Kräuter, Andreas Untergasser, Berrin Akbayir, Jutta Emig, Felix Volk, Stefan Beller, Rainer Raßloff und Sabrina Weber.
Die zehnköpfige Fraktion der ÜWG wird angeführt von Bernd Keller. Die weiteren Mitglieder sind: Tobias Robischon, Rüdeger von Lutzau, Thorsten Lewold, Peter Hartung, Hans Laudenberger, Manuel Dingeldein, Marko Lang, Reiner Reubold und Alexander Hahn.
Mit neun Sitzen stellt die CDU die drittstärkste Kraft: Sandra Allmann (Fraktionsvorsitzende), Georg Walther, Thomas Kurz, Christian Resch, Mario Dick, Franz Röchner, Danny Brohm, Andreas Funken und Dominik Pollozek. Auf fünf Mandate kommt Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktion wird geführt von Jonas Schönefeld. Die weiteren Mitglieder sind: Monika Fuhrig, Petra Neubert, Ulrike Kloß und Hatiyce Pankow-Kus.
Für die FDP gehören dem Parlament Moritz Promny (Fraktionsvorsitzender) und Louis Graf zu Erbach-Fürstenau an. (mgi)