Arbeitsgruppen sollen die Michelstädter Politik voranbringen

Die Fraktionsvorsitzenden von ÜWG, Bernd Keller (links), und SPD, Michael Hüttenberger, möchten für einen neuen politischen Arbeitsstil in Michelstadt stehen. Bild: Manfred Giebenhain

Die Vorsitzenden Michael Hüttenberger (SPD) und Bernd Keller (ÜWG) stellen die Kooperationsvereinbarung vor, die die zwei stärksten Fraktionen untereinander getroffen haben.

Bericht des Odenwälder Echos vom 10.6.2021 – von Manfred Giebenhain

MICHELSTADT – Neue Gesichter stehen für neue Ideen. Diese können sich auch auf einen neuen Stil beziehen, was Michael Hüttenberger (SPD) und Bernd Keller (ÜWG) für sich in Anspruch nehmen. Beide zählen zu den Neulingen in der Stadtverordnetenversammlung von Michelstadt und beide wurden aus dem Stand heraus von ihren Fraktionen zum Vorsitzenden gewählt. Maßgeblich ihre Handschrift prägt die Kooperationsvereinbarung, die die zwei stärksten Fraktionen untereinander getroffen haben.

Kurzer Rückblick: Bei den Kommunalwahlen im März hat die SPD, trotz Verlusten, ihre Position als stärkste politische Kraft behaupten können. Die Sozialdemokraten sind in der 37 Köpfe zählenden Stadtverordnetenversammlung mit elf Abgeordneten vertreten. Ebenfalls einen Sitz eingebüßt hat die ÜWG, die mit zehn Mandaten vertreten ist und mit Tobias Robischon den nächsten Bürgermeister stellt. Alles in allem sind dies gute Voraussetzungen für verlässliche Mehrheiten und eine Politik nach den Vorstellungen des neuen Bündnisses. Diesem vorausgegangen war eine Zusammenarbeit zwischen SPD und CDU, die fünf Jahre lang gehalten hat.

Die Aufkündigung durch die SPD war mehr als ein Zurück zur Zusammenarbeit mit der ÜWG, wie sie über Jahrzehnte hinweg die Stadtpolitik geprägt hat. Auf diese Feststellung legen beide Gesprächspartner großen Wert. Politisch unerfahren sind sie keineswegs. Hüttenberger (65) ist 2020 aus familiären Gründen nach Michelstadt gezogen. Politische Erfahrungen bringt der frühere Schulleiter und heute als freier Autor tätige Abgeordnete aus seiner Zeit als Stadtverordneter in Darmstadt (2001 bis 2008) mit. Keller (63) ist im Stadtteil Rehbach zuhause, wo er seit 2016 als Ortsvorsteher ein politisches Ehrenamt ausübt.

Ihr sechsseitiges Papier trägt die Überschrift „Findet der Stadt Bestes“; Ausdruck dessen, dass sich bereits in den Sondierungsgesprächen hinreichend viele Schnittmengen ergeben hätten. Gemeinsam betonen sie, dass es sich nicht um eine Koalitionsvereinbarung handelt. Ihre Kooperation sei, ganz im Sinne des Mottos, „offen für die Gedanken und Ideen der anderen Fraktionen“, so Hüttenberger. Nicht ohne Grund gehe der inhaltlichen Aufzählung der Schwerpunktthemen ihr neuer methodischer Ansatz voraus, dem die beiden grundsätzliche Bedeutung beimessen. Dazu heißt es in der Vereinbarung: „Wir bilden einen Kooperationskreis von je fünf Mitgliedern aus Fraktion und Magistrat und wollen besondere Themenstellungen mit allen gemeinsam erörtern.“

Dazu passt auch der zweite Schritt, den die Mehrheitsfraktionen in der jüngsten Sitzung der Stadtverordneten bereits auf den Weg gebracht haben. Mit der Bildung sogenannter Parlamentarischer Arbeitsgruppen (PAG) soll die Arbeit der Fachausschüsse nicht nur entlastet, sondern um das Know-how externer fachkundiger Bürger der Stadt und Experten bereichert werden. Wie unlängst am Beispiel der Odenwaldhalle geschehen, könnten auf diesem Weg deutlich mehr Informationen, Lösungsvorschläge, aber auch bisher zu kurz gekommene Schwachstellen in die Entscheidungsfindung einfließen. Neu sei diese Form der Bürgerbeteiligung nicht und auch nicht zu verwechseln mit einem „Bürgerstammtisch“, betont Keller. Hüttenberger zieht einen Vergleich mit den auf Bundes- und Landesebene gebildeten Enquete-Kommissionen (überfraktionelle Arbeitsgruppen), die sich in den Siebzigerjahren herausgebildet und bis heute bewährt hätten. Rein beratend, zeitlich begrenzt und ohne Entscheidungsbefugnis sollen die PAG ihren Teil dazu beitragen, dass die bestmöglichen Lösungen gefunden und umgesetzt werden. Infrage kommen in erster Linie Themen, die schon lange auf der Agenda stehen und bei denen es nicht richtig vorangegangen ist.

Als solche zählen Hüttenberger und Keller neben der künftigen Nutzung einer sanierten Odenwaldhalle die Umgestaltung des Bienenmarktgeländes, den Bienenmarkt selbst, die Innenstadtentwicklung, ein Verkehrswegekonzept unter Einbeziehung von Rad- und Fußwegen und die Digitalisierung der Stadt auf. Mehr Gewicht erhalten sollen aber auch grundlegende Dinge wie Inklusion und Barrierefreiheit, die bei allen Baumaßnahmen nicht zu kurz kommen dürften. Die Rede ist von „nachhaltigen Strukturen schaffen“, wozu auch Projekte der ökologischen Waldbewirtschaftung, die „Soziale Stadt“, neue Freizeitangebote sowie Jugendarbeit zählten.

„Wir wollen deutlich machen, dass etwas passiert“, betont Hüttenberger. An dieser Stelle besitzen auch die Pumptrack-Anlage für Jugendliche und der behindertengerechte Zugang in den Schenkenkeller für beide Kommunalpolitiker Priorität. Abschließend wünschen sie sich, dass auch die CDU-Fraktion bei den PAG mit von der Partie ist. Die anderen Fraktionen haben durch ihr Abstimmungsverhalten ihre Bereitschaft bereits signalisiert.