Haushalt 2022: Bessere Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher – Überfällige Investitionen – Grundsteuer wird nicht erhöht

Bild: Klaus Mai

Stadtverordnetenversammlung am 15.02.2022

Im Mittelpunkt der ersten Stadtverordnetenversammlung des Jahres 2022  stand die 3. Lesung des Haushalts.
Nach 3-stündiger intensiver Debatte und zahlreichen Änderungsanträgen wurde der Haushalt mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, ÜWG, CDU und FDP verabschiedet. Die Fraktion der Grünen lehnte den Haushalt ab.

Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Michael Hüttenberger nahm in seiner Grundsatzrede wie folgt Stellung:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die SPD-Fraktion wird dem Haushalt in allen Punkten zustimmen.
Ich sage diesen Satz gleich am Anfang, damit im Verlauf meiner Rede keine Unklarheiten aufkommen.

„Findet der Stadt Bestes.“

Das ist unser Leitsatz für die Wahlperiode 2021-26. Er gilt für die SPD und er gilt für unseren Kooperationspartner ÜWG. Der Stadt Bestes finden, ich gehe davon, das wollen alle hier im Haus, ob im Parlament, im Magistrat oder in der Verwaltung.
Ist dieser Haushalt wirklich das Beste, was wir gemeinsam für Michelstadt finden konnten?
Ja und Nein. Nein, weil unter den gegebenen Umständen das Beste noch nicht möglich war.
Und ja, weil aus dem guten Plan der ersten Lesung in den zweiten Lesungen in den Ausschüssen und den Beschlussfassungen der dritten Lesung gerade eben ein besserer Plan geworden ist. Und der liegt uns jetzt zur finalen Beschlussfassung vor.

Teamarbeit statt Alleingänge

Unser Bürgermeister ist inzwischen 5 Monate im Amt, den Haushalt hat er in seinem 3. Monat eingebracht. Logisch, dass da vor allem der Ergebnishaushalt weitgehend ein Wiederholungshaushalt ist, allzu viel Neues zunächst nicht gewagt wurde.
Die Pandemie ist noch nicht zu Ende, Zurückhaltung bei den Annahmen auf der Einnahmeseite kann man niemanden vorwerfen. Wir, die SPD-Fraktion, hätten uns dennoch hier und da etwas mehr Mut gewünscht, oder sagen wir besser Entschlossenheit. Und Offenheit, so wie z.B. bei der Entscheidung über den Weihnachtsmarkt. Und wie beim Weihnachtsmarkt wären wir gerne früher in die Beratungen einbezogen werden, im Team sind wir stärker, gemeinsame Entscheidungen sind tragfähiger. Alleingänge lähmen Politik und Verwaltung.

Sparen ist kein Selbstzweck

Auch Kämmerer planen gerne defensiv und setzen die Gewerbesteuereinnahmen lieber niedriger an, insbesondere, wenn sie noch ordentlich Rücklagen auf der Kante haben. In Michelstadt starten wir erneut mit über 9 Millionen an vorhandenen Zahlungsmitteln ins neue HH-Jahr. Wie schon Anfang 2021, weil statt geplanter 1,9 Mio minus, Ende 2021 real eine dicke schwarze Null steht. Könnte also durchaus sein, dass auch am Ende des Jahres 2022 das HH-Ergebnis besser sein wird, als gedacht.
„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not auch nichts.“ Eine gerade in diesen Tagen verblüffend wahre Verballhornung eines alten Sprichworts. Auf das Original berufen sich schwäbische Hausfrauen oder bodenständige Odenwälder gerne, die ihr Geld erst ausgeben wollen, wenn sie es verdient haben. Bürgerinnen und Bürger, die immer tapfer in ihre Lebensversicherung eingezahlt haben, treibt es Jahr für Jahr die Tränen in die Augen, wenn der neue Zwischenbescheid kommt. Die prognostizierte Auszahlungssumme wird immer geringer. Freuen darf sich hingegen der Nachbar, der sich gerade das Haus nebenan gekauft hat, kreditfinanziert mit unter 1% Zinsen, macht 3-4% „Inflationsrendite“.

Mehr Mut zum Machen

Was heißt das für den Michelstädter Haushalt 2022? Uns schreckt der „geplante“ Fehlbedarf, der sich aufgrund der gerade getroffenen Stellenplanentscheidungen noch einmal um ca. 200.000 € erhöhen wird, nicht, im Gegenteil: Wer heute sein Geld nicht investiert, hat morgen nicht mehr so viel davon: Wir haben derzeit eine Inflationsrate von 4-5 %, wir hatten 2021 eine Preissteigerung im Baugewerbe von 6%, für 2022 werden 4-5% geschätzt. So gerechnet sind die schönen 9 Millionen bei der Amtsübergabe von Kelbert auf Robischon am Ende des Jahres 2022, selbst wenn wir keinen Cent ausgeben würden, nur noch 8 Millionen wert. Da machen die 25.000 € Strafzinsen, die Michelstadt inzwischen zahlt, auch nicht mehr so viel aus.

Keine Erhöhung der Grundsteuer

Mit Zurückhaltung kommen wir nicht weiter, sinnvolle, weil in vielen Fällen überfällige, Investitionen sind angesagt.
Der neue Kindergarten ist eine, dass er teurer werden wird, ist weder ein Geheimnis noch ein Beinbruch.
Straßensanierungen stehen seit langem an, wenn wir sie schon vor 10 Jahren saniert hätten, hätten wir einen Bruchteil bezahlt. Die drastische Senkung der Straßenbeiträge, die wir im letzten Jahr beschlossen haben, war und ist richtig, dass die Steuer-Hebesätze unverändert bleiben auch. Die SPD hat schon seinerzeit in der Debatte eine Grundsteuererhöhung ausgeschlossen. So ist es auch gekommen. Die Pestalozzistraße ist dieses Jahr dran, die Kellereibergstraße als nächstes.

Planungsmittel für barrierefreie Bushaltestellen

Barrierefreiheit ist ein riesiges Thema, immer und überall, besonders in der Altstadt, da hätten wir gerne mehr gehabt als 20.000 €, nämlich doppelt so viel. Am liebsten wäre es uns allerdings, diese HH-Stelle wäre gar nicht nötig, weil Barrierefreiheit und Teilhabe für alle unser generelles Handeln bestimmen und überall mit eingepreist sind. So wie jetzt bei der Barrierefreiheit im ÖPNV, seit 1.1.2022 ist das eine gesetzliche Verpflichtung, und dass das so kommt, ist seit fünf Jahren bekannt. Und zur Herstellung von Barrierefreiheit an Bushaltestellen, 10.000 € Planungsmittel haben wir dafür gemeinsam errungen,  gibt es schon seit vielen Jahren Bundes- und Landesfördermittel, man müsste sie halt nur mal beantragen.

Investitionen zur Verbesserung der Lebensqualität

Die SPD-Fraktion konstatiert positiv: die geplanten Investitionen für die Pump-Track-Anlage am Ponyhof, für das Beach-Volleyball-Feld am Spielplatz Alsfelder Straße, für die Erweiterung der Fahrradabstellanlage am Bahnhof, für die coole Idee der Überbauung der Skateranlage für ein Chill-Cafe beim Bienenmarkt.
Wir bedauern es sehr, dass der Sperrvermerk für die Überdachung der Hackschnitzelanlage nicht aufgehoben wurde. Wie lange wird da schon die Rentabilität geprüft? Oder vielmehr davon geredet, dass sie geprüft werden soll? Wie lange wollen wir die Mitarbeiter des Bauhofs beim Hackschnitzel holen noch auf die Knie zwingen, unter die schwere Plane kriechen lassen, unter der die Hackschnitzel unbelüftet immer nasser werden, der Brennwert dadurch so weit absinkt, dass es auch die Heizungsanlage am Stadthaus immer mal wieder in die Knie zwingt? Die SPD-Fraktion wird sich weiterhin für eine Überdachung inklusive Photovoltaikanlage einsetzen.

Konzepte müssen endlich umgesetzt werden

Noch fehlt uns beim Investitionshaushalt der rote Faden, wir wollen nicht gleich von Visionen reden. Ein Plan, wo wir mit unserer Stadt insgesamt hinwollen, fehlt nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern, wie wir bei diversen Veranstaltungen in den letzten Wochen zu hören bekamen.
Odenwaldhalle, Innenstadtentwicklung, da gehts schon vorwärts, die PAGs sind ein guter Anfang. Bienenmarktparkplatz, neue Baugebiete, Feuerwehrhäuser in den Ortsteilen – alles dicke Bretter. Verkehrswegeplanung, Radwege – noch Fehlanzeige. Ein Pragmatismus a la „Wir warten mal ab, noch fällt es uns ja nichts auf die Füße“, reicht nicht. Längst vorhandene Konzepte müssen konkretisiert und umgesetzt werden, und zwar bald, dafür braucht es nicht nur Geld, sondern auch Macher – u.a. und schon lange einen Stadtplaner.

Die Verwaltung muss leistungsfähiger werden

Womit wir beim Stellenplan wären, nach Meinung der SPD-Fraktion die größte strukturelle Herausforderung der nächsten Jahre.
Was die Eingruppierung des gerade erwähnten Stadtplaners angeht, haben wir im Haupt- und Finanzausschuss einen Kompromiss gefunden – bis zu EG 12 kann er besoldet werden. Die Botschaft dahinter lautet: das Parlament als der Souverän des Geldes ermöglicht höhere Personalausgaben, um entsprechende Qualität einkaufen zu können. Stellenbesetzung: höchste Priorität, Stellenbeschreibung allerhöchste Priorität. Wir hätten uns diese Stellenbeschreibung schon vor den Haushaltberatungen gewünscht, und dieser Wunsch hat nichts mit Frömmigkeit zu tun.
Gleiches trifft auf die seit April verwaiste A12 Stelle zu. Unmittelbar dem Magistrat zugeordnet, anständigerweise vom alten Bürgermeister nicht mehr besetzt. Warum auch immer vom neuen Bürgermeister noch nicht besetzt. Eine Stelle für Öffentlichkeitsarbeit. Aber was genau? Auch hier fehlt die Stellenbeschreibung: jede Woche einen Beitrag fürs grüne Blatt schreiben und auf facebook hochladen? Oder doch auch Kommunikation mit den Vereinen, Verbesserung der internen Kommunikation, strategische Konzepte für Presse – und Öffentlichkeitsarbeit? Oder gar Kompetenzen in Antragslyrik, damit es keine ad-hoc-Gruppe aus Parlament, Magistrat und Verwaltung mehr braucht, um Fördermittel wie z.B. für die Innenstadt zu beantragen? Genaues weiß man noch nicht. Und so steht diese Stelle nur als Platzhalter im Teil A, weil man sie von dort nach B verschieben kann, umgekehrt hingegen nicht. Die Nachlieferung der Stellenbeschreibung wird gemäß einstimmigem Ausschuss-Beschluss alsbald erwartet.

Zusätzliche Stelle im Ordnungsamt

Kurz noch mal zurück zur Stadtplanerstelle: Die kommt stellentechnisch aus dem Ordnungsamt, verwaltungslogisch ist das nachvollziehbar, politisch nicht. Deshalb hat auch die SPD-Fraktion beantragt, dass es im Ordnungsamt eine Kompensation gibt. Eine Stelle mit EG 9b wird es deshalb im Stellenplan zukünftig zusätzlich geben.
Unterm Strich hat das keine Konsequenzen für das Ergebnis des Jahres 2022, denn in Michelstadt sind etwa 12 % aller Stellen unbesetzt, als akzeptabel und unvermeidlich gelten gemeinhin 4-5%.
Die SPD-Fraktion hat sich den Kommunalbericht des Hessischen Rechnungshofes „Vergleichende Prüfung Personalmanagement“ von Dezember 2018 mal genauer angeschaut: Da standen in Michelstadt fast alle Ampeln auf Rot: Michelstadt hat kein Optimierungspotential mehr beim Personalbestand, heißt: wir sind quantitativ am untersten Limit der Leistungsfähigkeit der Verwaltung angelangt. Wir brauchen deutlich mehr Personal. Systematische Personalbedarfsmessung, Leistungsorientierte Bezahlung, Personalentwicklung, Personalcontrolling – überall setzt der Rechnungshof rote Ampeln, heißt im Klartext: in Michelstadt nicht vorhanden. Wie gesagt: Stand 2018. Was hat sich seither getan? Wir werden dem nachgehen.

Inklusionsbeauftragte*r und 17 neue Erzieher*innen

Leider ist es noch immer nicht gelungen, die Stelle des oder der Inklusionsbeauftragten zu besetzen. Haushaltstechnisch wenig, politisch umso mehr relevant. Einfach mit einer erneuten Ausschreibung wird das nicht gelingen, da ist Hintergrund- und Überzeugungsarbeit bei den einschlägigen Verbänden angesagt. Genauso wie bei den 17 Stellen, die wir zusätzlich zu den besetzten 50 Stellen im Teil C insbesondere bei den Kitas brauchen. Es wird eine riesige Herausforderung werden, die auch nur annähernd quantitativ und qualitativ zu besetzen.

Bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher

Der gerade gefasste Beschluss, die Vergütung der Erzieherinnen von EG 8a nach 8b anzuheben, kann allerdings nicht dazu dienen, uns einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Schon deshalb nicht, weil fast alle Kommunen im Rhein-Main-Gebiet bereits erhöht haben. Es geht vielmehr, wie der Kollege Beller gerade schon nachdrücklich begründet hat, um faire Löhne, um die Aufwertung von sozialen Berufen, im Grunde also um sozialdemokratische DNA. Und wenn sich, wie jetzt unverhofft die Chance geboten hat, hierfür hier im Hause eine Mehrheit zu bekommen, dann mussten wir sie als SPD nutzen, selbst wenn im Detail noch einige Nacharbeiten nötig sein werden.
Zurück zum Wettbewerb um die Gunst von Erzieherinnen und Erzieher: Weiche Standortfaktoren, wie sie Michelstadt sicher zu bieten hat, können ein Vorteil sein, hier müssen wir kreativer werden. Ein gutes Betriebsklima ist ebenso von Vorteil. Die Überzeugung, dass die Michelstädter Verwaltung ein solches zu bieten hat, nimmt nach unseren Wahrnehmungen derzeit allerdings ziemlich rapide ab.

Zunächst keine Erhöhung der Verfügungsmittel

Aber vielleicht ist das ja ebenso ein Kommunikationsproblem wie die Sache mit der HH-Satzung. Die Erhöhung der als nicht erheblich definierten Überschreitungssummen bei außerplanmäßigen Ausgaben um das Doppelte, bei überplanmäßigen um das 4-fache auf jeweils 60.000 kam offenbar nicht nur für uns Parlamentarier etwas unvermittelt.
Das hat der Bürgermeister inzwischen eingeräumt und sich dafür entschuldigt.
Das Haushaltsrecht ist nun mal das vornehmste, was dem Parlament zusteht. Das letzte Wort hat, wenns ums Geld geht, immer die Stadtverordnetenversammlung. Wir sind gemäß HGO ein Teil der Verwaltung, ein Teilorgan der kommunalen Selbstkontrolle. Das nehmen wir, bei allem Grundvertrauen in Verwaltung und Magistrat, sehr ernst.
Deshalb bleiben die als unerheblich geltenden Beträge zunächst unbeziffert, der §8 der Haushaltssatzung entfällt und der Magistrat hat alsbald die Gelegenheit, uns neue Beträge nebst plausibler Begründung vorzustellen.

Fraktionsübergreifend gute Zusammenarbeit

Ich fasse zusammen: Alles in allem, finde ich, haben wir diesen Haushalt fraktionsübergreifend sehr verantwortungsbewusst diskutiert, leidenschaftlich gerungen und sachlich gute Lösungen gefunden. Wir haben gangbare Verfahrenswege ausgelotet, bei denen alle ihr Gesicht wahren und gleichzeitig Profil zeigen konnten.
Wir bedanken uns bei der Verwaltung für die sehr gute Aufbereitung der Haushaltsunterlagen, für die geduldigen Auskünfte und die fachkundigen Erläuterungen, allen voran Herrn Schneider und seiner Abteilung.

Jetzt gilt es zu handeln

Mit diesem Haushalt sollte der Magistrat jetzt gut arbeiten können. Wir als SPD-Fraktion sind weiterhin bereit, mit anzupacken und Verantwortung zu übernehmen. In einem Jahr werden wir sehen, was von all unseren Vorhaben umgesetzt werden konnte. Daran werden wir uns selbst messen und uns alle messen lassen müssen.
Mit diesem Haushalt werden wir auf dem Weg, der Stadt Bestes zu finden, ein Stück vorankommen, davon sind wir überzeugt.
Deshalb komme ich am Ende meiner Rede zurück zum Anfang:

Die SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt in allen Punkten zu.