Weniger Verkehr und Barrieren sind das Ziel

Ein wichtiger Beitrag für mehr Barrierefreiheit: In der Braunstraße sollen die Bordsteine entlang des historischen Rathauses und zum Kirchplatz hin entfernt und die Höhen angeglichen werden. Bild: Manfred Giebenhain

Michelstadt will die Aufenthaltsqualität in der Altstadt verbessern / Das letzte Wort haben nun die Stadtverordneten

Ein Beitrag von Manfred Giebenhain, erschienen im Odenwälder Echo am 12.07.2022

Fast genau ein Jahr ist es her, dass Michelstadt sich um die Aufnahme in das Landesförderprogramm „Zukunft Innenstadt“ beworben hat, das von der hessischen Landesregierung als Antwort auf die pandemiebedingte Schwächung von Stadtzentren aufgelegt wurde. In Michelstadt ausgearbeitet wurde der Antrag seinerzeit, ausgehend von der SPD-Fraktion, von einer Arbeitsgruppe, der neben Vertretern aus der Verwaltung Mitglieder des Magistrats, der Fraktionen und der Cittàslow-Gruppe angehörten.

Die Mühen haben sich gelohnt, denn Michelstadt wurde für sein Konzept mit einer Förderung von einer Viertelmillion Euro belohnt. Aufgestockt um den städtischen Anteil, stehen rund 300 000 Euro zur Verfügung. Was konkret mit dem Geld geschehen soll, steht in einem gemeinsamen Antrag aller fünf Fraktionen, der in diesen Tagen in den Fachausschüssen vorgestellt und einstimmig der Stadtverordnetenversammlung empfohlen wurde.

Für die SPD erinnerte Dr. Michael Hüttenberger im Bauausschuss daran, dass die Mittel bis spätestens 2023 ausgegeben sein müssen. Für die Umsetzung der insgesamt zehn vorgesehenen Maßnahmen sei daher eine „strenge Terminierung“ vorgegeben. Unter dem Titel „Lebendige Innenstadt – Verbesserung der Aufenthaltsqualität“ stechen etliche bauliche Veränderungen hervor, die ebenfalls zur Verkehrsberuhigung wie zur Beseitigung von Barrieren beitragen.

Vorgesehen ist, rückseitig zur Erwin-Hasenzahl-Halle einen Motorradparkplatz anzulegen, der mit Schließfächern zur Aufbewahrung von Gepäck und Helmen ausgestattet werden soll. Zusätzlich zu der bereits geplanten E-Bike-Park- und Ladestation in der Großen Gasse soll eine weitere, ebenfalls ergänzt um Schließfächer, am Lindenplatz entstehen. Ferner werden hier sowie an mindestens zwei weiteren Stellen in der Altstadt (Mauerstraße, Untere Pfarrgasse) Fahrradbügel-Sets installiert.

Einer Umgestaltung der Braunstraße auf der Höhe des Rathauses und zum Kirchplatz hin kommt der Plan gleich, alle Bordsteine bis zu den Sandsteinstufen zu entfernen und damit Höhenunterschiede aufzuheben. Wo Stufen nicht entfernt werden können, sollen mobile Rampen für einen barrierefreien Zugang zum Einsatz kommen.

Die Aufenthaltsqualität verbessern dürfte auch die Pflanzung von fünf Bäumen, die auf der Ostseite der Großen Gasse vorgesehen ist. Hinzu kommt die Aufstellung von Wasserspendern und zusätzlichen Sitz- und Verweilangeboten (Marktplatz, Kirchplatz, Lindenplatz, Bahnhofstraße, Gabelung Obere Pfarrgasse/Mauerstraße). Schließlich sollen ein taktiles Modell des Rathauses und der Altstadt sowie ein markierter Altstadtrundgang mit Stationen (ausgestattet mit QR-Code und einer App mit Sprachinfos) Bewohner wie Gäste auf die Schönheiten der historischen Altstadt aufmerksam machen.

Im Gegensatz dazu stehen sich in der Kommunalpolitik zwei annähernd gleich große Lager gegenüber in der Frage, wie die Altstadt vom motorisierten Verkehr beruhigt werden kann. Wie berichtet, hat bereits eine eigens zu diesem Zweck einberufene parlamentarische Arbeitsgruppe eine Vielzahl an Expertisen eingeholt und eine umfangreiche Empfehlung an die politischen Gremien erarbeitet. In allen drei Ausschüssen konnte sich der gemeinsame Antrag von SPD, Grünen und FDP, die gemeinsam über fünf Sitze verfügen, durchsetzen.

Dieser sieht vor, versenkbare Poller an drei Zufahrtsstellen in die Altstadt zu installieren sowie weitergehende Schließzeiten vorzunehmen. Im Kultur- sowie im Bauausschuss stimmten die jeweils zwei Abgeordneten der ÜWG und CDU dagegen. Im Haupt- und Finanzausschuss, der am Donnerstag tagte, folgte ein Befürworter aus den Reihen der ÜWG der Mehrheitsmeinung. Ausgangslage war der schon länger von der CDU verfolgte Austausch der Schranke an der Zufahrt zur Braunstraße gegen versenkbare Poller. Das letzte Wort hat die Stadtverordnetenversammlung, die am Dienstag, 19. Juli, mit den Empfehlungen aus den Ausschüssen abschließend darüber entscheiden wird, ob damit, außer an der Braunstraße, auch bei der Zufahrt Häfnergasse und in der Einfahrt zur Großen Gasse (Höhe Henschel) Poller angebracht werden.

Die antragstellenden Fraktionen versprechen sich hiervon ein wirkungsvolles und flexibles Instrument, um den Altstadtverkehr bei Bedarf weiträumiger drosseln oder gar bis auf Anwohner, Hotelgäste, Busverkehr und Zufahrten für Gehbehinderte sowie Versorgungsfahrzeuge reduzieren zu können.

Als generelle Schließzeiten sieht die Empfehlung ein Zufahrtsverbot für den Durchgangsverkehr von Montag bis Donnerstag in den Nachtstunden von 22 bis 5 Uhr sowie von Freitag ab 18 bis Montag um 5 Uhr vor. Für Kirchenbesucher am Sonntagmorgen soll eine Ausnahme gelten. Hinzu kommen die bereits bekannten Sperrungen zu den Zeiten von Großveranstaltungen in der Altstadt.

ÜWG und CDU verfolgten mit ihren Anträgen deutlich geringere Schließzeiten. Sollte die Mehrheit im Parlament sich den weitergehenden Empfehlungen anschließen, ist damit eine Evaluierung der gemachten Erfahrungen nach einem Jahr nach ihrer Umsetzung verbunden.