Michelstädter Stadtverordnetenversammlung setzt eigene Akzente beim Haushalt

Bild: Klaus Mai

Stadtverordnetenversammlung am 28.03.2023

Im Mittelpunkt der zweiten Stadtverordnetenversammlung des Jahres 2023  stand die 3. Lesung des Haushalts.
Nach mehr als zweistündiger intensiver Debatte und zwei Dutzend Änderungsanträgen wurde der Haushalt mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, ÜWG, CDU und FDP verabschiedet. Die Fraktion der Grünen lehnte den Haushalt ab.

Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Michael Hüttenberger nahm in seiner Grundsatzrede wie folgt Stellung:

Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitarbeiter*innen und Mitarbeiter der Verwaltung, liebe Bürgerinnen und Bürger,

„Der HH 2023 der Stadt Michelstadt wird sich am Notwendigen orientieren.” Mit diesem Satz hat Bürgermeister Robischon am 2. Februar 2023 den Michelstädter HH 2023 eingebracht. Und einen geplanten Fehlbetrag von 2,67 Millionen Euro angekündigt. 

Geplante Fehlbeträge – reale Überschüsse

Geplante Fehlbeträge hatten wir schon die letzten beiden Jahre: 2021 sah der Plan ein Minus von 1,9 Millionen vor, stattdessen landeten wir bei einem Plus von 2,6 Mio, waren also 4,5 Mio besser als gedacht. Bei einem Gesamtvolumen von ca. 40 Millionen eine beachtliche Planabweichung.
2022 sah der  Plan ein Minus von 1,2 Mio vor, stattdessen landen wir wohl ca 2,5 Millionen Plus, 3,7 Millionen besser als gedacht. Ergo starteten wir mit sagenhaften 15,992 Millionen Bestand in der Hinterhand ins Jahr 2023. Darum beneiden uns alle Städte und Gemeinden im Odenwaldkreis  – und noch ein paar mehr außerhalb. Wir müssen deshalb – wie viele unserer Nachbargemeinden – keine Hebesätze erhöhen und bleiben z.B. bei der Grundsteuer B mit 400% weit unter dem Kreis (490%) und dem Landesschnitt (494%).

Einschränkend muss man sagen: von den 15,9 Millionen sind ca. 1,6 Millionen gebunden, davon ca. 700.000 Euro, weil sie Maßnahmen für vorgesehen, die wir zwar beschlossen haben, die aber noch nicht umgesetzt sind. Investitionsstau nennt man das, heißt: Wir kriegen unsere Investitionen nicht alle auf die Straße. Z.B. auf die Pestalozzistraße: die sollte 2022 schon gemacht werden, dieses Jahr haben wir sie wieder auf dem Plan, und diesmal wird es dann wohl klappen.
Gerade bei den Straßen – aber nicht nur da – schiebt Michelstadt einen viel größeren Stau vor sich her – einen riesigen Sanierungsstau nämlich. Wie groß der alleine bei den Straße ist, wissen wir, seit das inzwischen erstellte Kataster uns viele Straßen rot und gelb markiert hat.

Wir müssten also eigentlich noch viel mehr umsetzen wollen, als wir es mit 3,3 Millionen geplanten Investitionen 2023 tun wollen. Dennoch wird es auch dieses Jahr wieder so sein, dass wir nicht alle geplanten Investitionen umgesetzt bekommen.
Das liegt, reden wir nicht drumherum, auch an der Leistungsfähigkeit unserer Verwaltung. Und dabei in erster Linie daran,  – seit 2018 amtlich bescheinigt vom Hess. Rechnungshof – dass Michelstadt sich mit seinem Personalbestand an der Untergrenze des Notwendigen bewegt.

Mehr Personal für die Verwaltung

Folgerichtig wird 2023 beim Stellenplan ordentlich was draufgepackt. 1,5 Millionen kommen zu den knapp 8,8  Millionen im Plan von 2022 dazu, das ist eine Steigerung um ca 22%. Die SPD stimmt dem ausdrücklich zu. Mehr noch:
Dem SPD-Antrag, bei den Kitas noch 1,5 Stellen für die Vertretungsreserve zusätzlich draufzusetzen, sind alle Fraktionen, außer der ÜWG, gefolgt. Selbst wenn derzeit nicht alle Stellen besetzt werden könnten, wir haben damit die Voraussetzungen geschaffen, dass erhöhte und längere Ausfallzeiten besser abgefangen, KITA-Öffnungszeiten verlässlicher eingehalten werden können. Das ist eine Bringschuld gegenüber den Familien in Michelstadt, die wir endlich wieder einlösen müssen.
Auch eine Bringschuld ist es, die Bürgerinnen und Bürger umfassend und zeitnah zu informieren. Deshalb befürwortet die SPD nach wie vor im Grundsatz  eine Stelle für die Öffentlichkeitsarbeit.
Bisher, da sind wir uns fraktionsübergreifend einig, ist diese Stelle nicht so ausgefüllt worden, wie wir uns das vorgestellt haben. Hofberichterstattungen braucht man in einer Demokratie nicht. Deshalb wollen wir vor der Neubesetzung genauer auf das Aufgabenprofil schauen und haben eine temporäre Sperre eingezogen.
Ein weiteres Anliegen ist es uns als SPD, möglichst viele Beschäftigungsverhältnisse sozialversicherungspflichtig anzulegen und nicht von vornherein Minijobs vorzusehen – wie beim neuen Stadtmuseum geplant. Dass die Grünen mit diesem ur-sozialdemokratischen Anliegen von sich aus initiativ geworden sind, freut uns, da sind wir uns sehr einig. Schade, dass die Mehrheit im Hause das anders sieht.

SPD fordert barrierefreien Zugang zum Stadtmuseum

Apropos Museum: Es ist schon ein ziemlicher Schildbürgerstreich, wenn man über Jahre hinweg mit viel Geld ein Stadtmuseum saniert, neu konzipiert – was wunderbar gelungen ist – und sich offenbar niemand ernsthaft Gedanken darüber macht, wie man einen barrierefreien Zugang gewährleistet.
Am 7. Mai, beim geplanten Museumsfest zur Neueröffnung, werden viele mobilitätseingeschränkte Bürgerinnen und Bürger außen vor bleiben. Nicht nur Rollstuhlfahrer, Kinderwagenschieber oder Menschen, die Rollatoren zur Hilfe nehmen müssen, die Außentreppe ist auch für Menschen mit Arthrose, akuten Gelenkproblemen, unfallbedingten Verletzungen, Atemnot oder Übergewicht eine Zumutung.
Ein Aufzug muss her, trotz Denkmalschutzauflagen – welche das sind, danach fragen wir im KTM seit Monaten vergeblich. Jetzt stehen dafür auf Antrag der SPD immerhin Planungsmittel im Haushalt.
Das Gleiche gilt für die Absenkung der hohen Bordsteinkante in der Braunstraße – unter Einbeziehung der gegenüberliegenden Seite, dank des Hinweises der CDU. Barrierefreiheit ist für die SPD-Fraktion ein Kernthema, selbst wenn unser Stadtrat Hajo Prassel längere Zeit mal nicht da ist.

Mehr Geld für den Radverkehr

Radverkehr ist es auch – nicht nur, weil der Fraktionsvorsitzende auch heute wieder mit dem Rad zur Stavo gefahren ist. Verbesserungen sind dringend nötig, seit Jahren geschieht hier nichts bis gar nichts, insbesondere im Umfeld der TLS und des Gymnasiums.
Deshalb haben wir den grünen Ursprungsantrag zur Radinfrastruktur aus Überzeugung mitgetragen, das, was schließlich daraus geworden ist, ist ein erster Schritt, das gute daran ist, es ist ein gemeinsamer Schritt aller Fraktionen hier im Haus. 
Deshalb stehen wir auch zu den Investitionen in den Radwegabschnitt Zeller Straße-Unterer Hammer, selbst wenn die Informationen aus der Verwaltung hierzu bisher unzureichend sind, sodass sich der Bauausschuss zu Recht nicht in der Lage sah, dazu einen Beschluss zu fassen. Salomonisch sind beide Optionen im Haushalt verankert – die grundhafte Erneuerung und die Sanierung.

Konservative Mehrheit verhindert Offenlegung des Baches

Eine besondere Art des Radfahrens kann man künftig am Ponyhofgelände zelebrieren, der sog. Dirtpark wird dieses Jahr realisiert. Das wird dort oben, das war allen klar, zu einem höheren Verkehrsaufkommen führen. Bei der Beschlussfassung seinerzeit mussten einige Kröten in Sachen Umweltbelastung geschluckt werden. Damit das nicht allzu viele werden, hatten wir den Bau von Amphibientunneln für 2023 beschlossen. Sehr irritierend war, diese Investionsmaßnahme im Investitionsplan erst für 2024 zu finden. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass alle hier im Haus das auf unseren Antrag hin korrigiert haben.
Die gleiche Korrektur erhofften wir uns für die Offenlegung des Bachs, inzwischen um den Dirt-Park herum geplant. Wir hätten uns die fadenscheinige Debatten über fehlende Planungen hier und heute ersparen können, wenn wir hierzu frühzeitiger belastbare Informationen gehabt hätten. Eine Realisierung der Maßnahme vor dem Bau des Dirt-Parks wäre bei etwas gutem Willen immer noch möglich, mit einem gewohnt bedenkenträgerischen Bürgermeister wohl eher nicht. 

Hackschnitzel-Anlage wird erneut nur überdacht

Das gilt umso mehr für die Never-Ending-Story zum Hackschnitzel-Dach. Für mich hatte das einzig den Vorteil, dass ich 1:1 die Passage aus meiner letztjährigen HH-Rede übernehmen kann, ich zitiere:
Wir bedauern es sehr, dass der Sperrvermerk für die Überdachung der Hackschnitzelanlage nicht aufgehoben wurde”  – bzw. inzwischen ein neuer nötig geworden ist. „Wie lange wird da schon die Rentabilität geprüft? Oder vielmehr davon geredet, dass sie geprüft werden soll? Wie lange wollen wir die Mitarbeiter des Bauhofs beim Hackschnitzel holen noch auf die Knie zwingen, unter die schwere Plane kriechen lassen, unter der die Hackschnitzel unbelüftet immer nasser werden, der Brennwert dadurch so weit absinkt, dass es auch die Heizungsanlage am Stadthaus immer mal wieder in die Knie zwingt? Die SPD-Fraktion wird sich weiterhin für eine Überdachung inklusive Photovoltaikanlage einsetzen” – und ich füge hinzu, für die Produktion der Hackschnitzel in eigener Regie – nicht nur die bisher vorliegenden Daten sprechen dafür. 

Planabweichungen vorprogrammiert

Bevor ich zum Ende komme, komme ich kurz auf den Anfang meiner Rede zurück:
Die Michelstädter Verwaltungsspitze hat sich in den letzten Jahren der Haushaltsbilanzen als nicht allzu prognosefest erwiesen. Deshalb sehen wir dem Fehlbetrag von 2,67 Millionen im ordentlichen Ergebnis – nicht nur auf dem Hintergrund des Ausgangsbestands von 15,99 Mio relativ gelassen entgegen. Es wird, so wage ich zu behaupten, wieder nicht so kommen. Wir würden uns als SPD-Fraktion wenig wundern, wenn es sogar auf eine schwarze Null hinausläuft und wir 2024 erneut mit knapp 16 Millionen im Bestand starten würden. Inflationsbereinigt wären sie dann nur noch etwa 13,7 Millionen wert. Nicht nur deshalb sollten wir hoffen, dass wir diesmal unsere Investitionen in einem Gesamtvolumen von ca. 3,3 Millionen realisieren und den Investitionsstau nicht weiter erhöhen. 

Dank an die Verwaltung

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben über diesen Haushalt seit dem 2. Februar fraktionsübergreifend verantwortungsbewusst diskutiert, leidenschaftlich gerungen, eine Menge geändert und sachlich gute Lösungen gefunden. Das hat viel Zeit gekostet, in Einzelgesprächen, in den Fraktionen und in den Ausschüssen. BUV und HuF haben in der 2. Lesung jeweils bis kurz vor Mitternacht getagt und wir haben uns das Ganze in einer weiteren, dann gemeinsamen Sitzung noch mal bis kurz vor Mitternacht zugemutet. Aber nicht nur uns, sondern auch der Verwaltung. Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung gilt deshalb unser ausdrücklicher Dank, Dank für die sehr gute Aufbereitung der Haushaltsunterlagen, für die Unterstützung aus den Fachämtern, für die geduldigen Auskünfte, die sach- und fachkundigen Erläuterungen und Korrekturen, allen voran Herrn Schneider und seiner Abteilung. 

Handlungsfähig trotz wechselnder Mehrheiten

Die Michelstädter Stadtverordnetenversammlung hat sich – auch ohne die feste Kooperationsvereinbarungen von SPD und ÜWG – als handlungsfähig erwiesen. Das ist auch in der Kommunalpolitik nicht selbstverständlich, darüber dürfen wir uns – in der sog. Sternstunde des Parlaments – gemeinsam freuen und vielleicht sogar ein bisschen stolz sein. 

Die SPD-Fraktion wird den Haushalt in allen Punkten mittragen.